ELLI 300

Ein innovatives Anlagenkonzept zur Elektronenbehandlung von Flüssigkeiten

Fraunhofer FEP /

Das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP hat sich über viele Jahre ein umfangreiches Know-how im Bereich der Elektronenstrahltechnologie erarbeitet. So wurden Prozesse und Anlagen für die unterschiedlichsten Anwendungen konzipiert und in die Praxis überführt, bspw. zur Behandlung von Saatgut oder zum Aushärten und Vernetzen von Lacken. Nun wird ein neues Anlagenkonzept zur Behandlung von Flüssigkeiten vorgestellt: ELLI 300 (ELectron treatment of LIquids).

ELLI 300 - Ein innovatives Anlagenkonzept zur Elektronenbehandlung von Flüssigkeiten
© Fraunhofer FEP, Fotograf: Jürgen Lösel
ELLI 300 - Ein innovatives Anlagenkonzept zur Elektronenbehandlung von Flüssigkeiten

Elektronen können – präzise gesteuert – in vielen Industriebereichen hilfreich sein. Sie werden gezielt beschleunigt, so dass ihre Eindringtiefe in bestimmte Medien ganz genau eingestellt werden kann. Die Wissenschaftler des Fraunhofer FEP haben ihre umfassende Erfahrung genutzt, um nun auch kleine Flüssigkeitsmengen mit Elektronen effektiv in kompakten Anlagen zu behandeln. So stand am Anfang die Idee zur schonenden Inaktivierung von Viren und Bakterien in flüssigen Medien, um beispielsweise Impfstoffe mit einem höheren Wirkstoffgehalt als bisher herstellen zu können.

In dem von der Fraunhofer-Gesellschaft geförderten Projekt ELVIRA wurden die Grundlagen hierfür zusammen mit den Fraunhofer-Instituten IZI, IPA und IGB erarbeitet. Erste Funktionstests zeigten schnell erstaunliche Erfolge. So konnten verschiedene Bakterien und Viren erfolgreich im Labor inaktiviert werden. Die im Laborkonzept behandelbaren Flüssigkeitsmengen sind allerdings auf wenige Milliliter beschränkt.

Um die Ergebnisse industrietauglich zu machen, wurde jetzt ein ausgefeiltes Anlagenkonzept für eine kontinuierliche Flüssigkeitsbehandlung in Betrieb genommen, das den Anforderungen bereits sehr gut entspricht. In der Anlage können Erreger kontrolliert mit der notwendigen Zieldosis behandelt werden und daraus maßgeschneiderte Impfstoffe gegen verschiedene Infektionskrankheiten entwickelt werden. Das Projekt wurde wird mit 1,85 Mio. USD durch die Bill & Melinda Gates Stiftung gefördert (Grant Agreement Investment ID: OPP1154635).

Die Anlage wurde zu diesem Zweck erfolgreich in einem Labor mit der Biologischen Schutzstufe 2 am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI in Betrieb genommen. In einem solchen Labor können Erreger unter erhöhten Sicherheitsanforderungen, wie bspw. Polioviren, inaktiviert werden.

Dr. Jessy Schönfelder, Projektleiterin am Fraunhofer FEP, erklärt die neue Anlage so: „Unsere ELLI 300 verfügt über eine Elektronenstrahlquelle für bis zu 300 keV Elektronenenergie. Für eine erfolgreiche und homogene Inaktivierung können in der neuen Anlage Flüssigkeiten mit einem Durchsatz von
0,5 – 5 Litern pro Stunde automatisiert behandelt werden. Sie ist ein flexibles Tool für die nächsten Entwicklungsschritte zusammen mit Industriekunden und Forschungspartnern.“

Das Fraunhofer IPA hat mit der Entwicklung des automatisierten Prozessmoduls dazu beigetragen, dass die Inaktivierungstechnologie leicht aufskalierbar ist und in die Industrie überführt werden kann. Mit diesem Prozess können nicht nur größere Flüssigkeitsmengen behandelt werden, auch das sichere Handling biologisch aktiver Flüssigkeiten konnte auf einen industrierelevanten Stand gebracht werden.

Das Verfahren wurde auf der Atomexpo 2018 in Sochi (Russische Förderation) für den AtomExpo-Award in der «Nuclear Technologies for better life» als eines von 3 Finalisten nominiert.

Die Anlage ELLI 300 ermöglicht zahlreiche neue Kooperationsmöglichkeiten mit der Industrie in Form von gemeinsamen Forschungsprojekten oder Aufträgen. Die Anwendung der Technik beschränkt sich nicht nur auf den Bereich der Impfstoffherstellung, sondern auch andere Anwendungen wie z.B. die Sterilisation von Biologika oder anderen flüssigen biologischen Materialien wären denkbar.

Die Wissenschaftler stehen nun bereit, die Möglichkeiten der neuartigen Technik in verschiedenen Bereichen der Biotechnologie und Pharmaproduktion zusammen mit Partnern aus Industrie und Forschung auszuschöpfen.